Systemisches

Streit auf Familienfeiern: Tipps für ein friedliches Familienfest

Stress und Streit innerhalb der Familie ist eines der häufigsten Anliegen in meiner Praxis. Gerade bei Familienfeiern kommt es häufig zu Konflikten: Über 40 Prozent der Deutschen geben an, dass in ihrer Familie an Weihnachten häufig gestritten wird. Es ist also kaum verwunderlich, dass viele Menschen Familienfeiern mit eher gemischten Gefühlen entgegensehen oder den Zusammenkünften gleich ganz fernbleiben wollen.

Warum es bei Familienfeiern Streit gibt

Die Vorweihnachtszeit bedeutet für viele Menschen Stress – organisatorisch und psychisch. Was schenken, wann feiern, wo und mit wem? Viel muss noch vor Jahresende erledigt werden. Die Ausgangslage ist also nicht wirklich gut, denn unter Stress kommen unsere unbewussten Überlebensprogramme, vor allem Kampf und Flucht, zum Einsatz. Dazu kommen individuelle Faktoren, wie z.B. ungelöste Konflikte, schmerzhafte Erfahrungen in der Vergangenheit, unterschiedliche Wertesysteme oder ein belastetes Familiensystem, um nur einige zu nennen. Eine individuelle Mischung davon ist in jeder Familie und jedem Einzelnen vorhanden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderes Familienmitglied oder man selbst, sich anders verhält als erwünscht oder eigentlich vernünftig wäre, ist also besonders hoch.

Was Du selbst gegen Streit tun kannst

Wir haben keinen Einfluss auf das Verhalten und die Reaktionen der anderen Familienmitglieder. Aber wir können mit einer neuen inneren Haltung und ein paar Verhaltensänderungen gut für uns sorgen und unseren Teil dazu beitragen, dass wir ein schönes Fest erleben. Warte also nicht auf eine Veränderung anderer Menschen und Situationen. Gestalte die Situation und deine Beziehungen selbst aktiv, so positiv wie es Dir eben möglich ist.

Tipps gegen Stress und Streit

Hier kommen ein paar Tipps aus der Praxis. Sie werden Dir dabei helfen, Dich in solchen Situationen gut abzugrenzen und den Stress für Dich zu minimieren. Gleichzeitig schaffst Du damit die Grundlagen für bessere Beziehungen in der Familie.

VOR DER FAMILIENFEIER

Um in stressbelasteten Situationen nicht in unsere alten Programme zu verfallen, ist es hilfreich, sich ein wenig vorzubereiten. Du kannst dadurch im Zweifelsfall leichter auf ein neues Verhalten und eine neue Denkweise zurückgreifen. Vor allem aber bekommst Du dadurch mehr Sicherheit und wirst Dich der Situation und den anderen Menschen nicht mehr so ausgeliefert fühlen.

  1. Selbstreflexion: Nimm Dir vorher Zeit für Selbstreflexion. Überlege, welche möglichen Triggerpunkte für Stress oder Streitigkeiten existieren könnten – bei Dir und bei den anderen. Lege Dir alternative Reaktionen/Verhaltensweisen und Gesprächsführungen zurecht, um die Situation aktiv in deinem Sinne steuern zu können.
  1. Mentaltraining: Sportler visualisieren vor dem Wettkampf den genauen Ablauf. Eine ideale Vorbereitung auch für schwierige Situationen. Stell Dir also vor, wie Du selbst die Situation positiv gestalten wirst. Was wirst Du tun, fühlen und denken? Du wirst in der Situation dadurch leichter darauf zugreifen können.
  1. Positives Bild: Um eine negativen Erwartungshaltung bei Dir möglichst zu vermeiden, versuche vorher ein positives Bild der Situation zu entwickeln. Vielleicht gibt es eine Situation mit Deiner Familie, an die Du Dich gerne erinnerst. Du kannst Dir eine solche Situation auch einfach vorstellen. Versuche Dich und Deine Familie friedlich und einander zugewandt zu visualisieren. Nimm dieses positive Bild mit in die Familienfeier. Du wirst dadurch auf jeden Fall entspannter in die Situation gehen.

WÄHRED DER FAMILIENFEIER

  1. Sorge gut für Dich und Deine positive Stimmung: Überfordere Dich nicht und sorge gegebenfalls für Abstand oder Rückzugsmöglichkeiten, insbesondere wenn die allgemeine Stimmung kippen sollte. Lass Dich nicht in Streitereien hineinziehen. Geh spazieren, mach Yoga oder ein Nickerchen, aber bleibe bei Dir und schütze Dich und Deine positiven Emotionen.
  1. Steuere Gespräche selbst: Um sicherzustellen, dass die Gesprächsthemen positiv und neutral sind, lenke das Gespräch aktiv auf Gemeinsamkeiten, positive Erlebnisse oder gemeinsame Zukunftspläne. Damit trägst Du dazu bei, eine harmonische Atmosphäre zu schaffen. Vermeide nach Möglichkeit kontroverse Themen, die aus Erfahrung zu Meinungsverschiedenheiten führen.
  1. Lass Dich nicht in alte Interaktionen verwickeln: Anstatt in die üblichen Reibereien zu verfallen, kannst Du etwas Neues ausprobieren. Wenn Du Dich z.B. kritisiert oder ungerecht behandelt fühlst, kannst Du die negative Dynamik meist sehr schnell beenden, indem Du Deinem Gegenüber einfach zustimmst: „Ja, stimmt, meine Schwester macht das toll mit ihren Kindern.“ Oder bei Klagen: „das ist bestimmt nicht einfach für dich“. Verwende Deine Energie nicht darauf, dagegenzuhalten oder Dich zu erklären. Lenke das Gespräch, wenn notwendig, z.B. durch eine Frage einfach auf ein anderes Thema oder eine andere Person.
  1. Setze Grenzen: Setze freundlich, aber bestimmt Grenzen. „Ich sehe, dass Du   Dir Sorgen machst. Das ist nett, aber für mich ist meine Entscheidung stimmig“ (ohne weitere Erklärung). Oder verschiebe gegebenenfalls Diskussionen auf einen Dir passenden Zeitpunkt: „Lass uns den Abend genießen und morgen darüber weiterreden“ Lenke dann das Gespräch auf ein anderes Thema.
  1. Fokus auf den Atem: Atme ein paar Mal tief durch, wenn Dich akut die eigenen Emotionen zu überwältigen drohen. Nimm die Aufmerksamkeit von Deinem Gegenüber und richte sie auf Dich selbst: Wie geht der Atem (langsamer und tiefer atmen!), wo ist Anspannung im Körper (Muskulatur entspannen!).  Das unterbricht die automatisierte Reaktion, verbindet Dich mit Dir selbst und steuert den Stress spürbar nach unten.
  1. Das Ziel im Auge behalten: Behalte das eigentliche Ziel des Abends im Auge, ein friedliches Familienfest ohne Streit zu feiern. Das Treffen unter dem Weihnachtsbaum ist zwar nicht geeignet Konflikte und alte Kämpfe auszutragen, es kann aber sehr wohl die Grundlage für zukünftig bessere Beziehungen schaffen.
  1. Sei selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst: Verteile an andere großzügig die Wertschätzung und Zuwendung, die Du Dir selbst wünschst. Bedenke dabei besonders die Familienmitglieder, mit denen Du sonst eher Schwierigkeiten hast. Du unterbrichst dadurch einerseits proaktiv die gewohnten Interaktionsmuster. Andererseits kommst Du dadurch in Kontrolle und bist weniger häufig gezwungen „Attacken“ abzuwehren.

NACH DER FAMILIENFEIER

  1. Nachreflexion: Nimm Dir nach der Familienfeier Zeit für eine Nachreflexion. Überlege, was für Dich gut funktioniert hat oder was Du beim nächsten Mal anders machen willst. Lerne aus den Erfahrungen, um zukünftige Familienfeiern noch stressfreier und positiver zu gestalten. Sei geduldig mit Dir selbst und auch mit anderen.
  1. Positive Rückbestätigung: Wenn es gut gelaufen ist und zumindest Bemühungen in die richtige Richtung gab, gib positives Feedback. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine langfristig positive Entwicklung.

Jede Familie ist einzigartig

Mit diesen Tipps kannst Du nicht nur Stress und Streit bei Familienfeiern minimieren, sondern auch eine Grundlage für tiefere und positivere Beziehungen innerhalb der Familie schaffen. Du kannst dazu beitragen, dass Familienfeiern für Dich zu freudigeren und harmonischeren Ereignissen werden.

Aber – jeder Mensch, jede Familie ist einzigartig. Oft sind die Ursachen für familiäre Konflikte sehr tiefgehend oder unbewusst. In diesen Fällen wird meist Hilfe von außen notwendig sein, um solche größere Themen zu lösen. Eine Familienaufstellung oder ein systemisches Konflikt-Coaching kann hier hilfreich sein. Melde Dich gerne bei mir, wenn Du Unterstützung brauchst.

Ich wünsche Dir eine friedliche, glückliche Weihnachtszeit und ein entspanntes Familienfest!

Herzlichst,

Deine Kerstin

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